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Unter dieser Rubrik möchte ich künftig Produkte vorstellen, die sich durch besondere Nachhaltigkeit auszeichnen.

Ressourcen schonen, die Natur entlasten, Chancengleichheit fördern, das alles kann die Menstruationstasse Ruby Cup

Ihr wollt endlich ernst machen mit dem nachhaltigen Lebensstiel? Kein Plastik mehr, keine Naturzerstörung? Dann gibt es hier neue Produkte, welche Ihr auf Eure Liste setzen könnt.

Tropical Freaks

Die Kaffee-TrinkerInnen entscheiden darüber, ob die 100.000 km² Kaffee-Anbaufläche ein naturnaher Lebensraum für Kolibris und viele andere Tiere ist -- oder Monokultur, die ohne Rücksicht auf die Umwelt billigen Kaffee produziert.

Kanwan

Hoyerswerda, alles ist möglich

Text: Grit Maroske

06.10.2016

Ich habe bei meiner Arbeit hunderte Asylbewerber kennen gelernt und von den ersten Schritten an begleitet. Ich lebe in Hoyerswerda, einer Stadt, die seit dem Pogrom von 1991 das Synonym für Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass ist.

Ich habe Menschen aus Pakistan, Indien, Syrien, Afghanistan getroffen, aus Libyen, dem Libanon, aus Tschetschenien und Georgien, Roma aus Serbien und Menschen aus dem Iran und dem Irak, aus Senegal und Eritrea. Ich habe dabei eines gelernt: Es sind Menschen. Individuen. Egal wo sie herkommen oder wie sie gebildet sind, was sie in ihrem vorigen Leben gearbeitet haben oder wie sie ihren Gott rufen. Sie sind still oder temperamentvoll, nett oder arrogant, empathisch oder egoistisch. Viele haben furchtbare Dinge erlebt, Dinge, die ich mir nicht vorstellen kann und will. Die meisten eint eines: Der Wunsch nach Frieden, nach einem Platz, an dem sie nicht nur überleben, sondern normal leben können. Sie möchten ihren Kindern Bildung geben und ein Zuhause. Sie möchten ein Teil von uns allen sein. Sie möchten - in all ihrer Fremdheit - zu uns dazu gehören und sie freuen sich und sind dankbar, wenn man ihnen ein bisschen Zeit schenkt und ihnen hilft, sich hier einzuleben.

Heute, 25 Jahre nachdem in Hoyerswerda Menschen wegen ihrer Hautfarbe durch die Stadt gejagt und letzendlich vertrieben wurden, haben wir ein Fest gefeiert. Ich begegnete Yasmin und Nasser, Mohammed und Walid, Sheila und Aysha, Suleiman und Hamudi, Nera und Aram und nicht dem Arzt oder der Lehrerin, dem Flüchtling aus Syrien oder dem Flüchtling aus Afghanistan, sondern Menschen, die ich schätzen gelernt habe und die heute glücklich mit ihren Kindern an der Hüpfburg standen, die Kuchen für den Basar gebacken und Tänze einstudiert haben und die sich freuten und sagten: "Hoyerswerda ist schön. Hier ist es gut. Danke für alles." Und sie umarmen mich und ich bin Teil ihrer Welt und sie sind Teil meiner.

Ich kann euch erzählen, was es für eine Stadt bedeutet, die das Stigma von Fremdenfeindlichkeit trägt. Von Investoren, die sich lieber 20 km weiter ansiedeln, damit der Name der Stadt nicht auf ihrem Briefkopf auftaucht. Von ehemaligen Hoyerswerdaern, die immer sagen, sie kommen aus der Nähe von Dresden, weil sie mit der Stadt nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollen. Ich kann euch erzählen, wie es ist, wenn man noch 25 Jahre später gefragt wird: "Warst du dabei, damals, als sie Menschen gejagt und Molotow-Cocktails geworfen haben? Auf welcher Seite hast du gestanden?"

Das alles wird euch vielleicht nicht interessieren. Ihr wollt lieber eure Wut und euren Hass und eure Vorurteile verbreiten. Ihr wollt einen Schuldigen finden für das, was in eurem Leben nicht richtig läuft.

Aber ich kann denen, die es wissen wollen, eins sagen: Wenn man sich darauf einlässt, mit diesen Menschen zu sprechen, eröffnet sich eine ganz neue Welt und eine ganz neue Perspektive aufs eigene Leben. Meine Welt ist bunter und reicher geworden. Ich habe gelernt, ehrfürchtig und demütig zu sein. Ich habe gelernt, den Frieden, den wir seit 70 Jahren haben, zu schätzen und zu schützen. Ich habe gelernt, wie reich man wird, wenn man teilt.

Wenn man eine Stunde Zeit spendet oder ein Lächeln, wenn man einen Schulranzen oder ein Fahrrad, eine Winterjacke oder ein Malbuch hergibt und dafür Liebe und Achtung und Respekt zurückgeschenkt bekommt. Ich bin dankbar für diese Chance, die ich bekommen habe. Ich habe Freunde verloren durch mein Engagement und Freunde gewonnen. Mein Arabisch ist immer noch lächerlich schlecht, und doch bekomme ich einen Kuss, wenn ich versuche, es zu sprechen.

Ich bin glücklich, wenn ich sie toben und tollen sehe, die Kinder aus Syrien und Afghanistan, aus Pakistan und Indien, aus Libyen und dem Iran. Wie sie mit ihren gespendeten Mickeymaus-Kleidchen und Supermann- T-Shirts die letzten Sommersonnenstrahlen genießen und Eis essen und schaukeln, Fange spielen und die Hüpfburg ausprobieren.

Weil wir ihnen eine Heimat gegeben haben, manchmal auch nur für eine kurze Zeit, können sie tun, was alle Kinder tun sollten: sie können unbeschwert und in Sicherheit leben, sie können lachen und abends ohne Angst in ein Bett gehen, sie können essen und lernen und mit ihren Freunden Fahrrad fahren.

Darum liebe ich mein Land. Weil all das möglich ist.

Kommentare: 1
  • #1

    Eva Schmelzer (Donnerstag, 03 November 2016 15:26)

    Ich bin tief beeindruckt von diesem Artikel, der so viel Liebe ausstrahlt, so unendlich viel Menschlichkeit. Für alle, die immer ein „Ja, aber…“ einwenden: Ja, es gibt auch die anderen. Wie könnte es anders sein, denn die gibt es überall auf der Welt. Aber ist nicht ein unbeschwertes Kinderlachen, das trotz allem geschehenen Leid wieder da ist, eine Mutter, die endlich einmal beruhigt schlafen kann in der Nacht, nicht alle Bemühungen wert, den Menschen in Not zu helfen – und sei es nur mit einem freundlichen Wort, einem offenen Lächeln? Ich denke so oft daran, wenn ich an einem benachbarten ehemaligen leer stehenden großen Bürogebäude vorbeikomme, das zu einem Flüchtlingsheim umgebaut wurde, wenn ich die Menschen sehe, deren Gesichter und Körpersprache teilweise noch gezeichnet sind von den durchlebten Qualen, oft ja schon seit Jahren. Und von der Trauer, die viele von ihnen wohl immer in sich tragen, weil sie alles Materielle und auch oft liebe Menschen verloren haben. Und wenn ich dann an einem Sonnentag am Rheinufer spazieren gehe und mir Menschen begegnen, die Flüchtlinge sein könnten, wie sie die Ruhe und den Frieden genießen, freue mich mit ihnen, dass sie ein kleines bisschen das Gefühl haben müssen, dass sie in einer Art Paradies sein müssen. Seit dem Frühjahr begegnet mir dort immer wieder ein etwa 20jähriger Schwarzer, der dort stundenlang Skateboard fährt, ganz allein, immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Einmal war ich in Begleitung einer Bekannten, die bei der Caritas (Flüchtlingshilfe) arbeitet. Sie kannte ihn gut: er war letzten Winter nach hier aus dem Kongo geflohen, wo er seit Kindesbeinen Kindersoldat gewesen war. Ist es nicht dieser Junge allein schon wert, in Kauf zu nehmen, dass auch ein paar unter den Flüchtlingen sind, die Unannehmlichkeiten verursachen? Auch, um etwas zurückzugeben, von dem Glück, das wir haben, in diesem Land zu leben.
    Ich danke Dir sehr, liebe Grit, für Deinen Beitrag und für Dein Engagement!